
Unentgeltliche Rechtspflege
Für zivilrechtliche Verfahren gilt:
Anspruchsvoraussetzungen
Eine Person hat dann Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege (URP), wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO). Die Kosten gehen dann zu Lasten des Kantons.
Als mittellos/bedürftig gilt, wer für die Finanzierung eines Rechtsverfahrens auf eigene, aktuelle Mittel greifen müsste, die er zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts und desjenigen seiner Familie unbedingt benötigt. Wer freiwillig auf laufende Erwerbseinkünfte verzichtet oder sich seines Vermögens entledigt, kann nicht mit der Gewährung unentgeltlicher Rechtspflege rechnen. Ebenso wenig liegt Bedürftigkeit vor, solange die gesuchstellende Person die erforderlichen Mittel gegenüber Dritten geltend machen kann, zum Beispiel wenn sie Anspruch auf Bevorschussung der Prozesskosten durch den Ehegatten hat, als Kind Unterhaltsansprüche gegenüber den Eltern besitzt oder Deckung aus einer Rechtsschutzversicherung besteht.
Das von der gesuchstellenden Person angestrebte Verfahren muss wenigstens eine gewisse Aussicht auf Erfolg haben. Aussichtslosigkeit wird nach der Praxis dann angenommen, wenn die Verlustgefahren eindeutig grösser sind als die Gewinnchancen, so dass auch eine finanziell gut gestellte Partei das Verfahren vernünftigerweise nicht führen würde. Eine solche Lage ist beispielsweise anzunehmen, wenn der Anspruch bereits verjährt ist oder für die Behauptungen keine Beweise ersichtlich sind.
Umfang
Die URP kann ganz oder teilweise gewährt werden (Art. 118 ZPO). Sie umfasst:
- die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen,
- die Befreiung von den Gerichtskosten,
- die gerichtliche Bestellung einer Rechtsbeiständin oder eines Rechtsbeistandes, wenn dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist, insbesondere wenn die Gegenpartei anwaltlich vertreten ist; die Rechtsbeiständin oder der Rechtsbeistand kann bereits zur Vorbereitung des Prozesses bestellt werden.
Nicht durch die URP gedeckt ist hingegen die Bezahlung einer Parteientschädigung an die Gegenpartei.
Gesuch
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann vor oder nach Eintritt der Rechtshängigkeit gestellt werden (Art. 119 ZPO). Die URP kann ausnahmsweise rückwirkend bewilligt werden. Die gesuchstellende Person hat ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse unter Beilage der erforderlichen Unterlagen darzulegen und sich zur Sache sowie über ihre Beweismittel zu äussern. Sie kann die Person der gewünschten Rechtsbeiständin oder des gewünschten Rechtsbeistands im Gesuch bezeichnen. Unvollständige Angaben oder fehlende Belege können zur Abweisung des Gesuchs führen.
Im Rechtsmittelverfahren ist die URP neu zu beantragen.
Formular:
» Zur Eingabe der Einkommens- und Vermögensverhältnisse
Hinweis zur Gesuchstellung:
Die Verwaltungskommission des Obergerichts hat am 30. August 2024 entschieden, dass für Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege, die für Rechtsmittelverfahren beim Obergericht gestellt werden, grundsätzlich keine separaten Verfahrensnummern vergeben werden, dies insbesondere auch in Verfahren der zivilrechtlichen Abteilung (ehemals Kantonsgericht). Als Folge davon können ab 1. Januar 2025 Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege an das Obergericht (sämtliche Abteilungen) separat oder als Teil der Rechtsschrift des Hauptverfahrens gestellt werden.
Verfahren und Entscheid
Das Gericht entscheidet über das Gesuch im summarischen Verfahren. Ausser bei Bös- oder Mutwilligkeit werden im Verfahren um die URP keine Gerichtskosten erhoben. Die Gegenpartei kann angehört werden. Sie ist immer anzuhören, wenn die URP die Leistung der Sicherheit für die Parteientschädigung umfassen soll.
Entzug
Das Gericht entzieht die URP, wenn der Anspruch darauf nicht mehr besteht oder nie bestanden hat, so insbesondere wenn sich im Verlaufe des Verfahrens herausstellt, dass dessen Weiterführung aussichtslos ist oder die finanzielle Lage der Partei sich inzwischen entscheidend verbessert hat (Art. 120 ZPO).
Nachzahlung
Eine Partei, der die URP gewährt wurde, ist zur Nachzahlung verpflichtet, sobald sie dazu in der Lage ist. Der Anspruch des Kantons verjährt zehn Jahre nach Abschluss des Verfahrens (Art. 123 ZPO).
Rechtsmittel
Entscheide betreffend den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, die Bestellung einer Rechtsvertretung und die Festsetzung von deren Entschädigung sind den Betroffenen mitzuteilen. Entscheidungen unterer Instanzen unterliegen der Beschwerde an das Obergericht (Art. 121 ZPO).
Für strafrechtliche Verfahren gilt:
Privatklägerschaft/Opfer
Anspruchsvoraussetzungen
Auf Gesuch gewährt die Verfahrensleitung der Privatklägerschaft die unentgeltliche Rechtspflege ganz oder teilweise, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint (Art. 136 Abs. 1 lit. a StPO). Dem Opfer wird auf Gesuch die unentgeltliche Rechtspflege ganz oder teilweise gewährt, wenn es nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Strafklage nicht aussichtslos erscheint (Art. 136 Abs. 1 lit. b StPO).
Als mittellos/bedürftig gilt, wer für die Finanzierung eines Rechtsverfahrens auf eigene, aktuelle Mittel greifen müsste, die er zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts und desjenigen seiner Familie unbedingt benötigt. Wer freiwillig auf laufende Erwerbseinkünfte verzichtet oder sich seines Vermögens entledigt, kann nicht mit der Gewährung unentgeltlicher Rechtspflege rechnen. Ebenso wenig liegt Bedürftigkeit vor, solange die gesuchstellende Person die erforderlichen Mittel gegenüber Dritten geltend machen kann, zum Beispiel wenn sie Anspruch auf Bevorschussung der Prozesskosten durch den Ehegatten hat, als Kind Unterhaltsansprüche gegenüber den Eltern besitzt oder Deckung aus einer Rechtsschutzversicherung besteht.
Das von der gesuchstellenden Person angestrebte Verfahren muss wenigstens eine gewisse Aussicht auf Erfolg haben. Aussichtslosigkeit wird nach der Praxis dann angenommen, wenn die Verlustgefahren eindeutig grösser sind als die Gewinnchancen, so dass auch eine finanziell gut gestellte Partei das Verfahren vernünftigerweise nicht führen würde. Eine solche Lage ist beispielsweise anzunehmen, wenn der Anspruch bereits verjährt ist oder für die Behauptungen keine Beweise ersichtlich sind.
Umfang
Die unentgeltliche Rechtspflege umfasst (Art. 136 Abs. 2 StPO):
- Die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen,
- Die Befreiung von Verfahrenskosten,
- Die Bestellung eines Rechtsbeistands, wenn dies zur Wahrung der Rechte der Privatklägerschaft oder des Opfers notwendig ist.
Im Rechtsmittelverfahren ist die unentgeltliche Rechtspflege neu zu beantragen (Art. 136 Abs. 3 StPO).
Nachzahlung
Wird die Privatklägerschaft zu den Verfahrenskosten verurteilt, so ist sie verpflichtet, dem Bund oder dem Kanton die Entschädigung zurückzuzahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 138 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 135 Abs. 4 StPO). Der Anspruch des Bundes oder des Kantons verjährt in 10 Jahren nach Rechtskraft des Entscheides (Art. 135 Abs. 5 StPO). Das Opfer und seine Angehörigen sind nicht zur Rückerstattung der Kosten für die unentgeltliche Rechtspflege verpflichtet (Art. 138 Abs. 1bis StPO). Wird der Privatklägerschaft eine Prozessentschädigung zulasten der beschuldigten Person zugesprochen, so fällt diese Entschädigung im Umfang der Aufwendungen für die URP an den Kanton (Art. 138 Abs. 2 StPO).
Beschuldigte Person
Anspruchsvoraussetzungen
Die beschuldigte Person kann die Bestellung einer amtlichen Verteidigung beantragen, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Verteidigung zur Wahrung ihrer Interessen geboten ist (Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO).
Als mittellos/bedürftig gilt, wer für die Finanzierung eines Rechtsverfahrens auf eigene, aktuelle Mittel greifen müsste, die er zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts und desjenigen seiner Familie unbedingt benötigt. Wer freiwillig auf laufende Erwerbseinkünfte verzichtet oder sich seines Vermögens entledigt, kann nicht mit der Gewährung der amtlichen Verteidigung rechnen. Ebenso wenig liegt Bedürftigkeit vor, solange die gesuchstellende Person die erforderlichen Mittel gegenüber Dritten geltend machen kann, zum Beispiel wenn sie Anspruch auf Bevorschussung der Prozesskosten durch den Ehegatten hat, als Kind Unterhaltsansprüche gegenüber den Eltern besitzt oder Deckung aus einer Rechtsschutzversicherung besteht.
Zur Wahrung der Interessen der beschuldigten Person ist die Verteidigung namentlich geboten, wenn es sich nicht um einen Bagatellfall handelt und der Straffall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, denen die beschuldigte Person allein nicht gewachsen wäre (Art. 132 Abs. 2 StPO). Ein Bagatellfall liegt jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als 4 Monaten oder eine Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen zu erwarten ist (Art. 132 Abs. 3 StPO).
Umfang
Die amtliche Verteidigung umfasst die Bestellung eines Rechtsbeistandes für die beschuldigte Person. Eine Befreiung von weiteren Kosten (z.B. Gerichtsgebühren) ist grundsätzlich nicht vorgesehen.
Nachzahlung
Wird die beschuldigte Person zu den Verfahrenskosten verurteilt, so ist sie verpflichtet, dem Bund oder dem Kanton die Entschädigung zurückzuzahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO). Der Anspruch des Bundes oder des Kantons verjährt in 10 Jahren nach Rechtskraft des Entscheides (Art. 135 Abs. 5 StPO).
Für die verfassungs- und verwaltungsrechtliche sowie sozialversicherungsrechtliche und schiedsgerichtliche Abteilung gilt:
Unentgeltliche Rechtspflege
Die oder der Vorsitzende kann durch verfahrensleitende Verfügung oder mit dem Entscheid in der Hauptsache einer Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag die unentgeltliche Prozessführung bewilligen, sofern ihr Rechtsstreit nicht offensichtlich mutwillig oder von vornherein aussichtslos ist. Die Bewilligung befreit von allen Kosten und Gebühren. Entfallen die Voraussetzungen im Laufe des Verfahrens, kann die Bewilligung entzogen werden (siehe Art. 76 VRG).
Erstattung erlassener Kosten
Prozessiert eine Partei unentgeltlich, hat sie das Erlassene und die Kosten der Rechtsvertretung zu erstatten, wenn sich ihre Einkommens- oder Vermögensverhältnisse gebessert haben und sie hierzu in der Lage ist. Der Anspruch des Kantons auf Rückerstattung verjährt in zehn Jahren nach Rechtskraft des Entscheides. Über die Verpflichtung zur Rückerstattung entscheidet das von der Regierung bezeichnete Amt. Dessen Entscheid kann mit Beschwerde beim Obergericht angefochten werden. Die Steuerverwaltung macht dem für die Geltendmachung der Erstattungsansprüche zuständigen Amt die notwendigen Daten mittels Abrufverfahren zugänglich. In den Gemeinden ist die für die Rückerstattung zuständige Stelle berechtigt, die notwendigen Daten über das Steueramt einzusehen (Art. 77 VRG).
Formular:
» Zur Eingabe der Einkommens- und Vermögensverhältnisse
Hinweis zur Gesuchstellung:
Die Verwaltungskommission des Obergerichts hat am 30. August 2024 entschieden, dass für Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege, die für Rechtsmittelverfahren beim Obergericht gestellt werden, grundsätzlich keine separaten Verfahrensnummern vergeben werden, dies insbesondere auch in Verfahren der zivilrechtlichen Abteilung (ehemals Kantonsgericht). Als Folge davon können ab 1. Januar 2025 Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege an das Obergericht (sämtliche Abteilungen) separat oder als Teil der Rechtsschrift des Hauptverfahrens gestellt werden.